Als Privatmenschen völlig glücklich sein? Na klar! So steht es in meinem Folder. Doch geht das wirklich? Und was, wenn das Leben nicht so ist, wie man es sich vorstellt? Kann man dann trotzdem glücklich sein? Was kann man ändern, was soll man ändern? Was nicht?
Was ist Glück?
Glück ist ein Zustand, der unabhängig ist von äußeren Einflüssen, Gegebenheiten, Umständen. Wir alle kennen die Bilder lachender, bettelarmer Menschen. Weil sie es nicht besser wissen, sagen Zyniker. Weil sie keine Verpflichtungen haben.
Es gibt immer Umstände, die uns fordern, belasten, traurig machen. Doch Glück lässt sich davon nicht aus der Bahn werfen, sagen KZ-Überlebende.
Das ist die Theorie. Wieso sieht die Praxis oft so anders aus? Denn auch ich kenne die Tage, wo Weltschmerz meine Seele belastet.
Jeder hat eine Geschichte
Wir alle haben in der Vergangenheit Schmerz erfahren. Hindernisse. Gemeinheiten. Verletzungen. Ich möchte hier zwischen den Verletzungen im Erwachsenen und Kindesalter unterscheiden. Aus zwei Gründen. Zum einen halte ich es für dringend notwendig, dass wir mehr Bedacht im Umgang mit unseren Kindern haben. Denn allzu oft sind sie die Leidtragenden einer gehetzten, verängstigten Gesellschaft. Zum anderen glaube ich, dass die tiefen Wunden, die so schwer heilen und oft bis ins Erwachsenenalter wirken, nicht notwendig sind.
Was aber, wenn es doch passiert? Was, wenn man als Kind so sehr verletzt wurde, dass ein Teil immer noch klein ist? Dass man sich nichts zutraut oder sich wertlos fühlt? Verlernt hat, sich selber zu achten? Oder sich nie getraut hat, den eigenen Weg zu gehen? Etwas ander(e)s zu machen?
Dann wird es Zeit, die Gabe zu entdecken, die das ausgleicht. Dazu gleich mehr. Doch davor noch ein paar Worte zu Verletzungen im Erwachsenenalter.
Verletzungen
Auch als Erwachsene sind wir vor Herzeleid nicht gefeit. Stellen Sie sich Ihr Leben wie ein Spinnen-oder Fischernetz vor. Löcher und schwache Fäden entstehen durch tiefe Kränkungen,Verletzungen, für die wir keine Erklärungsmöglichkeit gefunden haben. Außer der, dass mit uns selber etwas nicht stimmt. Daraus entstehen Ehrgeiz, blinde Flecken, Schufterei, Kampfbereitschaft, gute wie weniger gute Eigenschaften. Nicht jede Charaktereigenschaft, die wir nach einer Verletzung entwickeln, ist schlecht. Wir werden stark, eigenständig, verantwortlich, kämpferisch im positiven Sinn. Wir lernen, für uns einzustehen, Grenzen zu setzen. Erst im extrem wird aus Kampfgeist Härte, Aggression, blinder Zorn. Oder Verantwortungslosigkeit, Gleichgültigkeit, Rückzug und Isolation. Irgendwann folgt die unterste Stufe, die Stufe wo es keine Selbstachtung mehr gibt. Die Stufe, wo Heilung, Umkehr trotzdem möglich ist. Denn es ist auch die Stufe, wo man jede Verstellung, jede Fassade aufgibt und sich völlig Gott übergibt. Mancher muss so weit fallen, andere erkennen schon vorher, dass Fassaden nicht helfen, Gott schon.
Der Rückweg
Wenn man am Punkt der Erkenntnis, der Hingabe angekommen ist, wo man das Ego völlig losgelassen, aufgegeben hat, weil es keine Energie mehr dafür gibt, dann entdeckt man in sich das Licht, diesen wunderbaren Funken Göttlichkeit, den der Schöpfer in jedem von uns hinterlassen, angelegt hat. Er enthält Trost, das eigene Licht, den Weg.
Nichts ist mehr notwendig, nichts ist mehr wichtig. Nur dieser eine Funke, diese eine Aufgabe ist es was zählt. In dieser Erkenntnis richten wir uns auf, bereit, den mühsamen Rückweg auf uns zu nehmen.
Die Physiotherapie-Falle
Mussten Sie schon mal Übungen ‚für’s Kreuz‘, den Rücken, das Knie machen? Mal unter uns beiden: wie lange haben Sie durchgehalten, nachdem der Schmerz nachließ? Wie lange haben Sie sich gut ernährt, nachdem die Jeans wieder gepasst hat?
Physiotherapie, Diäten und der Rückweg sind vergleichbar. Sie sind nützlich, sie bringen etwas. Aber Physiotherapie und Diäten machen auf Dauer keinen Spaß, bringen uns nicht einen Funken Lebensfreude.
Der Rückweg aber schon. Er kann süß werden, glückvoll, wenn man weiß wie.
Was man ändern soll
Ich habe vor kurzem einen Post geschrieben, in dem es darum ging, dass man mit der ständigen Selbstoptimierung aufhören soll. Selbstreflexion ist gut. Aber ich habe erkannt, dass die schönsten, positivsten Lernerfahrungen in der Interaktion mit anderen entstehen. Wenn man zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, dann ist im Leben kein Platz, keine Energie für das, was man möchte.
Aber was, wenn man das Gefühl hat, etwas stimmt nicht? Dann ist man zu harsch mit sich selbst. Gelassenheit und Grazie stellen sich ein, wenn man sich selber treu ist. Mit all seinen Schwächen. Wenn das wahre Selbst zugedeckt ist, dann legtman es Schritt für Schritt frei. Wenn es das aber nicht ist, dann geht man weiter. Schritt für Schritt.
Ja, man verändert sich, lernt, wächst. Aber im Wesentlichen bleibt man, wer man ist. Darum geht es.
Die Zaubergabe
Der liebe Gott ist gnädig, und hat in unsere Grundausstattung etwas gepackt, das alles andere überstrahlt. Es nährt uns, ohne sich selbst zu verzehren und gibt uns die Kraft, die Routinearbeiten, den Alltag, das Leben nicht nur zu meistern, sondern mit einem Lächeln in den Augen zu genießen.
Denn das ist Glück: zu leben, das Leben in all seiner Fülle, seinen Facetten, seinen Erscheinungsformen anzunehmen. Sich im ärgsten Sturm zurechtzufinden, ungeachtet dessen, ob es ein Sturm der Trauer, der Liebe oder der Veränderung ist.
Sehr oft ist es das, was eine Verletzung so schwerwiegend macht. Weil wir diese Gabe nicht kennen, weil sie für andere keinen Wert hat. Aber sie ist das Wichtigste, das Alles. Sind Sie ein Elternteil, und ihre Kinder noch klein, achten Sie gut auf diese Gabe. Sie äußert sich unterschiedlich, aber immer mit großer Freude, die sehr still sein kann. Kinder lieben vieles, doch eines macht sie glücklich. Nähren Sie das, achten Sie das, und machen Sie Raum dafür, und alles andere wird sich weisen.
Und so gilt es auch für Erwachsene: machen Sie Raum dafür. Stehen Sie um Himmels willen um 5 Uhr auf, wenn das die einzige Zeit ist, wo Sie in Ruhe….
Viel Freude mit Ihrer Zaubergabe, sie ist der Schlüssel zum Glück.
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MAG. DR. VERENA RADLINGMAYR