Der Weihnachtswichtel Grummeldummel

Es war einmal ein Weihnachtswichtel, der fand, dass die Welt wirklich, wirklich ungerecht war. Jahr für Jahr schuftete er hart und stellte viele tausend Geschenke her. Er machte Listen und folgte Anweisungen, er hielt sich an die vorgegebenen Vorschriften. Aber er tat noch so viel mehr! Es war allein SEINE Verantwortung, dass Weihnachten glatt lief. All die Kinder, die jedes Jahr ihre Geschenke bekamen, die Überraschungen, die sie unter dem Baum und in Strümpfen fanden. Ja, natürlich gab es da noch andere. Wichtel und Elfen und Helfer und da waren auch noch das Christkind, Nikolaus und Santa, Beffana, Lucia und viele andere mehr. Denn natürlich konnten die Menschen nicht nur eine Geschichte haben, nein sie brauchten viele Geschichten und so hatte der kleine Weihnachtswichtel Grummeldummel mehrere Vorgesetzte und jeder wollte etwas von ihm. Und jeder dieser wichtigen Weihnachtsgeschenke-Bringer würde ohne Grummeldummel dumm dastehen. Denn er, Grummeldummel, war der Strippenzieher. Er hatte alles unter Kontrolle. Er wusste alles. Ja, er war sehr mächtig. 

An manchen Tagen fühlte Grummeldummel das Gewicht der Welt auf seinen Schultern und war ganz erschöpft. Er durfte sich keine Pause gönnen, denn alle und alles hing irgendwie von ihm ab. Er wusste einfach aller: wie man Geschenke herstellt und verpackt und wie man das ganze so organisiert, dass die Sache zu Weihnachten rund läuft. 

Ja, er war ein Held. 

Der wahre Held. 

Der verkannte Held. 

Grummeldummel schob sich verdutzt die lilafarbene Wichtelmütze mit dem weißen Rand aus dem Gesicht. Sein kleines Gesicht war weiß wie eine Perle, die ein ganz klein wenig golden schimmerte. Die pausbäckigen Wangen, normalerweise rot gefärbt, hatten jede Farbe verloren. Seine Wichtelhaare ähnelten der Mähne eines Löwen, weil sie so kraus waren, doch ihre Farbe war die von Smaragden. Grummeldummel kratzte sich die von der Arbeit und der warmen Mütze verschwitzte Stirn. Seine großen, dunkelblauen Kulleraugen weiteten sich noch mehr! Auf welchen Schatz er da gestoßen war!

Wenn er, Grummeldummel, so ein Held war, dann wurde es höchste Zeit, dass die Welt davon erfuhr. Aber wie sollte er das anstellen? Er wusste über so vieles Bescheid, dass es ihm schwer fiel, aus den tausend Möglichkeiten die richtige auszuwählen.  Er überlegte: er könnte alle Geschenke stehlen.  Doch dann wären alle Kinder traurig, und das wollte er nicht. Er wollte nicht zum Grinch werden, denn der Grinch war ein Weihnachtshasser, ein Weihnachtsgleichgültiger! Und Grummeldummel liebte Weihnachten. Er liebte Weihnachten so sehr, dass er alles dafür tun würde. 

Alles. 

Ja! Das war die Lösung. Er würde sein eigenes Weihnachten machen. Denn Grummeldummel wusste genau, was das Geheimnis von Weihnachten war. Weißt Du es auch? 

Nun, er klopfte sich selbstzufrieden auf seinen Wanst, der in einem Wamst aus Walkstoff steckte, der wiederum mit einem Gürtel mit goldener Schnalle zusammengehalten wurde. Ach wie gut war es, dass er das wahre Weihnachtsgeheimnis kannte. Grummeldummel schlich sich durch den Zauberwald, vorbei an den Geschenklagerstätten, vorbei am Rentierhof, vorbei am Christkind-Glöckchen, bis hin zu den Türmen der tausend Wünsche. Doch auch dort blieb er nicht. Denn das war Weihnachten an seiner Oberfläche. Oberflächlich dreht sich zu Weihnachten alles um Geschenke, Kekse, Familie. Um Musik und Singen und Geschenke. Und Geschenke. Und Lichter und Kerzenschein. Und kurze Nachrichten, die man in ein Gerät tippt, damit sie bei einem anderen ankommen. 

Doch tief im verschneiten Zauberwald, wo die Weihnachtswesen sich ihre Reiche geschaffen hatten, da lagerte, wie der zentrale Punkt in einem Kreis, die wahre Perle, der Schatz von Weihnachten. Weder Santa noch das Christkind hatten Zeit, sich um die Perle zu kümmern. Auch die Weihnachtswesen, die nur in einem oder zwei Länder verehrt wurden, hatten alle Hände voll zu tun, um die immer wachsende Zahl an Menschenkindern und Wünschen zu befriedigen. 

Deshalb dachte auch niemand daran, dass dieser Schatz einfach so dalag. Dass er es war, der alles zusammenhielt. 

Grummeldummel war wirklich ein schlauer Wichtel. Als er am Ziel seiner Wanderung angekommen war, da freute er sich sehr dass außer ihm niemand da war. Er rieb sich die Hände und dann hockte er sich vor die Stelle hin. In einer Schale, die einer Muschel glich, lag der Weihnachtsfriede. Weihnachten – die stille Zeit. Weihnachten – der Moment der Waffenruhe. Das waren die wenigen Erinnerungen, die die Menschen noch an den Geist von Weihnachten hatten. Doch ohne den Weihnachtsfrieden gäbe es nichts von dem, was alle sich so sehr wünschen: Das Zusammensein, die Geschenke, das Lachen, die Wärme und das Lichtermeer. 

Beinahe andächtig griff Grummeldummel nach dem Weihnachtsfrieden. Er steckte die kleine Perle in seine Hosentasche und rannte, so schnell ihn seine Beinchen trugen. Er wollte zu einer der Lebkuchenhütten im Wald, von der er wusste, dass sie leer stand. Doch auf dem Weh dorthin schaute er nicht, wohin er rannte, sondern schaute nach vor und zurück, um nur ja nicht entdeckt zu werden. 

Und so verwundert es nicht, dass diese Geschichte eine drastische Wendung nimmt. Denn Grummeldummel stürzte auf seinem Weg zur Lebkuchenhütte. Als er sich aufrichtete, hörte er aus der Nähe ein Geräusch. Das versetzte ihn so sehr in Panik, dass er nicht mehr klar denken konnte. Er rannte und rannte und rannte. Und erst als er sein Ziel erreichte, erst nachdem er eine Weile verschnauft hatte und wieder zu Atem gekommen war, erst dann griff er in seine Tasche. Und bemerkte zu seinem Entsetzen, dass der Weihnachtsfriede fort war!

Für einen schlauen Wichtel wie Grummeldummel lag die Sache klar auf der Hand: die kleine Perle musste ihm bei seinem Sturz davon gerollt sein. Also musste er zurück an die Stelle, wo er gefallen war. Er folgte seinen eigenen Spuren bis zu dem Punkt, wo er seinen Abdruck im Schnee fand. “Na, das haben wir gleich” sagte er zu sich selbst. “Das wird kein Problem sein. Und dann werde ich den Weihnachtsfrieden besser einpacken!” Das versprach er sich selbst. 

Er suchte und suchte und suchte und suchte. Und mit jeder Minute schwand seine Zuversicht, schwand sein Glaube, dass er den Weihnachtsfrieden wiederfinden würde. Er hatte bereits den halben Wald umgegraben, aber nichts gefunden. 

Grummeldummel machte sich schwere Vorwürfe. Ohne den Weihnachtsfrieden wäre Weihnachten zerstört. Auch wenn er nur so herumlag in seiner Muschelschale, so war er doch da. Wie der Unterton in einem Musikstück oder die Basisnote in einem Parfüm. Man hörte ihn nicht oder vernahm ihn nur ganz sanft, aber er war da. 

Oh, was hatte er nur getan! Er hatte doch nur Weihnachten nach seinen Vorstellungen gestalten wollen. Mit dem Weihnachtsfrieden in seiner Hand, in seiner Macht, hätte er das tun können. Dann hätte er weniger Geschenke bauen lassen. Oder einfach alles besser gemacht, denn schließlich wusste er alles über Weihnachten. 

“Aber jetzt weiß ich nicht mehr weiter. Ich habe keine Wahl, ich muss die Weihnachtswesen zusammenrufen und ihnen von meiner schändlichen Tat berichten.”

Grummeldummel hatte zwar einen Fehler gemacht, aber er wusste, dass es hier nicht nur um ihn ging. Und er wusste auch, dass man ihm verzeihen würde. Irgendwie. Irgendwann, wenn Weihnachten nicht untergehen würde. 

Verzweifelt klopfte er an die Türen der Weihnachtswesen und bat einen nach dem anderen, dringend ins Versammlungshaus zu kommen. Als sie alle versammelt waren, fühlte Grummeldummel sich gleich wohler. Irgendetwas hatten diese Wesen an sich, das ihm das Herz leichter machte. 

Der Wichtel stellte sich nahe an das Christkind, weil er sich dort besonders wohl fühlte. Und dann begann er zu erzählen. Von seiner miesen Laune, der großen Last, und der vermeintlichen Lösung, die er gefunden zu haben glaubte. Dann kullerten Tränen über sein Gesicht und es fiel Grummeldummel schwer weiter zu sprechen. Doch er gab nicht auf. er sprach langsam, mit von Tränen erstickter Stimme. Und als er erzählte, wie er nach dem Weihnachtsfrieden griff und ihn sich in die Tasche steckte, beugte er seinen Kopf, weil er sich so sehr schämte. Die anwesenden Weihnachtswesen machten keinen Mucks. So musste grummeldummel weitererzählen, von dem Sturz und der Suche und ganz am Ende musste er eingestehen, dass er erfolglos war. Und dass er alleine nicht mehr weiter wusste. 

Da stand Santa auf und kam auf ihm zu. “Nun siehst Du, Grummeldummel, dass Weihnachten das Werk von vielen ist. Wir alle tragen dazu bei, dass der Weihnachtsfrieden in die Welt kommt. Es liegt nicht an Dir allein und es liegt auch nicht an mir allein. Hast Du denn nicht all die Dankesworte gelesen, gehört, gespürt und vernommen, die wir Dir über die Jahre gesendet haben?” “Das habt ihr?” Da stand die Beffana auf. “Das konnte er nicht, weil er zu sehr damit beschäftigt war, sich für alles und jeden verantwortlich zu machen.” Grummeldummel horchte auf. Und dann horchte er in sich hinein. Was für ein Gebrüll es da gab! ‘Du musst dieses tun!’ ‘Du sollst jenen kontrollieren!’ ‘Wenn Du es nicht machst, macht es niemand’ Und weißt Du, wer da so brüllte? Grummeldummel selbst.

Da entschied Grummeldummel sich für die Stille. Er stellte das Geschrei ab und lauschte. Und da hörte er all die friedvollen, leuchtenden, wärmenden, liebevollen Worte der Anerkennung und der Gemeinschaft, die die Weihnachtswesen ihm über die Jahre geschickt hatten. 

Er freute sich so sehr und es wurde ihm wohlig warm ums Herz. Doch dann erschrak er noch mehr! Alles war vergeblich – denn der Weihnachtsfriede war weg. Und er hatte ihn ganz umsonst gestohlen. Nur aus Egoismus und aus Kleinmut. Uiui, welch einen Schaden er angerichtet hatte. 

Er weinte bitterlich. “Nana, wer wird denn so weinen!” Das Christkind fasste ihm unters Kind. “Sie her!” In seiner Hand hielt es  – den Weihnachtsfrieden!

“Aber wie?” “wir merken immer, wenn der Weihnachtsfrieden in Gefahr gerät. Wir waren in der Nähe und haben Dich gewähren lassen.” “Um mir eine Lektion zu erteilen?” Sie sagten nichts. Grummeldummel schüttelte den Kopf. “Nein, um mir zu helfen. Denn den Frieden konnte ich nur in mir selber finden. Ich danke euch!” “Und nun geh, wasch Dir das Gesicht und dann flugs an die Arbeit. Deine Arbeit, Grummeldummel. Nicht die von uns allen!”

So war die Balance im Weihnachtswunderwald wieder hergestellt und alle Geschenke wurden rechtzeitig geliefert. Und Grummeldummel fühlte sich nie wieder von Gott und der Welt verlassen. Er lebte als glücklicher Wichtel viele, viele Jahrhunderte lang. 

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MAG. DR. VERENA RADLINGMAYR

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