Tag-Nacht-Gleiche

Heute sind Tag und Nacht gleich lang – die Polaritäten für einen odhinnischen Augenblick lang gleich. In diesem Augenblick liegt das Potential für alles: den Sieg des Dunkeln, den Sieg des Lichts, die ewige Ausgeglichenheit und die Aufhebung der Polaritäten. All das ist als Potential in dem magischen Moment angelegt und es sind alleine unsere Erwartungen, die den Weitergang der Welt bestimmen. Wir erwarten, dass der morgige Tag kürzer sein wird; dass zukünftige Tage immer kürzer werden. Bis zu dem Tag, an dem sich alles wieder ändert. Die wir Jahreszeitenfeste am 21. September, 21. Dezember, 21. März und 21. Juni sind Erinnerungen an den Kampf Odhins um Recht und Gesetz und seine dadurch errungene Fähigkeit sich aus der Not zu befreien. Eine Kunst, die wir alle beherrschen. Jetzt, wo die Tage kürzer werden und das Gleichgewicht der Kräfte aus dem Ruder zu laufen droht, sind wir aufgerufen uns dieser Fähigkeit zu besinnen. 

Odhin

In der Kultur des Nordens ist Odhin der Allvater, er ist der Gott der Weisheit, des Krieges, der Runen und der Magie. Wie kann ein weiser Gott ein Gott des Krieges sein? Nur ein weiser Gott soll ein Gott des Krieges sein. Denn nur ein weiser Gott wird die Entscheidung treffen, die das gelindeste, das erforderlichste Mittel, das Mittel ist, das alle Welten in Einklang zu bringen vermag. Manchmal ist das der Krieg, manchmal die Magie, manchmal das Abwarten und Nichtstun. 

Odhin ist auch der Gott der Runen und eine dieser Runen lehrt uns, dass wir den Örlög, den Widerstand, den Sand im Getriebe selbst erzeugen aber in uns auch die Macht haben, uns davon zu befreien. Weise handeln um weise zu werden ist der Rat dieser Rune. 

Pole

Damit Energie fließen kann, braucht es zwei Pole. Wie bei einer Batterie sind diese Pole gegensätzlich, ein Plus und ein Minus. Sie sind die Gegenspieler im ewigen Kreislauf auf dieser Erde und haben – so Gott will – beide ihre Berechtigung. In seinem Rahmen folgen sie den Spielregeln, die die Mächte sich gegeben haben. 

Jedem Maximalpunkt folgt eine Abwärtsbewegung. Wie bei einer Welle: erst baut sie sich mehr und mehr auf, und dann bricht sie. Durch dieses Brechen kann eine andere Welle entstehen und wachsen, wachsen, wachsen, bis auch sie bricht. 

Im Kreislauf der Mächte ist es ebenso: dem Auf folgt ein Ab. Aber dieses Ab, dieser natürliche Kreislauf, wird oft bekämpft. Niemand ist gerne erst oben und dann unten. Wer einmal viel Geld hatte, will es nicht verlieren. Wer viel Macht hatte, will sie nicht verlieren. Wer eine Stellung hatte, will sie nicht verlieren. Wer die Liebe hatte, will sie nicht verlieren. 

Gleichgewicht

In all diesen Auf- und Ab-Bewegungen gibt es immer einen Normzustand. Ein Ideal. Und dieses Ideal ist in sich ein eigenes Gleichgewicht. Wenn am 21. Juni der längste Tag die Herzen der Menschen erfreut, ist das nichts Schlechtes. Es ist richtig. Wenn am 21. Dezember alle um das Feuer stehen und sich nach dem Licht sehen, ist die lange Dunkelheit nichts Schlechtes. Sie ist die Norm. Das Gleichgewicht, so paradox das scheint. 

Wenn aber am 23. Dezember immer noch die längste Nacht wäre und am 3. März ebenso, dann wäre das Gleichgewicht gestört.

Örlög

Manchmal scheint es, dass zu viel Sand im Getriebe ist. Dass die Mächte aus dem Gleichgewicht sind, weil wir das so wollen. Aus der Erfahrung Odhins könnte man ableiten, dass der Sieg mit jedem selber anfängt. Füttern Sie nicht das Böse, indem Sie im Aufmerksamkeit schenken. Füttern Sie das Schöne, helfen Sie den Schwachen, stärken Sie das Gute. So formt sich Schritt für Schritt das Recht neu, das Schöne neu, das Gleichgewicht neu. 

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