Eine weise Frau hat mir einmal gesagt, man kann das Leben als Freund oder Feind betrachten. Als etwas das für Dich geschieht, oder etwas das Dir zustößt. Die eigene Einstellung so positiv zu gestalten ist möglich – und geht leichter mit einem Quäntchen Vergebung. Vergebung ist ein Thema, das so alt ist wie die Menschheit selbst. Und aktuell wie eh und je. Vergebung ist ein Konzept, das allen Religionen gemeinsam ist, allen spirituellen Schulen und allen Angeboten, die das innere Gleichgewicht fördern – von Yoga bis Bogenschießen. Vergeben macht den Weg frei für eine schönere Zukunft.
Was, bitte schön, wollen Sie?
Wenn Sie Vergebung googeln, finden Sie verschiedenen Definitionen. Vergebung wird als psychologisches, buddhistisches oder religiöses Konzept dargestellt. Eine der Definitionen auf Wikipedia sagt, dass Vergebung von der Opferhaltung befreit, weil man auf den Schuldvorwurf verzichtet. Und wieder liegt es an uns? Wieder sollen wir die ganze Arbeit machen, während der Schuldige sich bequem zurücklehnt? Ja. Denn das Beste an der Vergebung ist das Geschenk, das sie Ihnen bringt: der Steigerung Ihrer Lebensqualität.
Vergebung bedeutet die Vergangenheit gehen zu lassen. Vergebung ist die Hingabe an die Menschlichkeit und ihre Fehler und das vollkommene Aufgehen im göttlichen Plan. Vergeben heißt ebenso sich selbst anzunehmen, sein Leben, wie das des anderen. Niemand, der nicht wirklich zu vergeben bereit ist, kann seinen Weg in eine Zukunft finden die von den Sünden der Väter befreit ist. Vergebung trägt zur Verbesserung der Menschheit und der Erde ebenso bei wie zur Steigerung der Lebensqualität des Einzelnen.
Vergebung bedeutet die Vergangenheit gehen zu lassen.
Wissenschaft und Religionen, sogar Computerspiele, kennen den Begriff der Erbschuld. In der Wissenschaftlichen finden wir sie in der Epigenetik, in den spirituellen Dimensionen ist Erbschuld das Karma. In Computerspielen muss ein Gegner solange bekämpft werden, bis man ihn besiegt. Und der Gegner wird stärker, je öfter man ihm unterliegt. In diesem Szenario beschreibt Technologie sehr anschaulich, was ohne Vergebung geschieht. Erbschuld ist wie eine kaputte Platte: Wir erben von den Vorvätern etwas, das uns das Leben schwer macht und das immer wieder kommt.
Ohne Vergebung kommt die Vergangenheit immer wieder. Woran kann man erkennen, dass ein Thema wiederkehrt? Manchmal fühlt es sich an wie ein Déjà-vu, wenn es einem wie Schuppen von den Augen fällt und man innerlich stöhnt: ‘Nicht schon wieder!’ oder sich als ‘Idiot’ bezeichnet. Manchmal fühlt es sich an wie eiskalter Schock, wenn man in der eigenen Frau die Verhaltensweisen seiner Mutter sieht. Oder man wirft einem Kind vor: “Du bist wie Oma/Opa/Mama/Papa/Urgroßvater…”.
Vergebung bedeutet, die Vergangenheit ein für allemal, durch alle jetzigen und künftigen Generationen gelöst zu haben. Nicht begraben, nicht verdrängt. Gehört – verstanden – und abgehakt. Vergangenheit muss verdaut werden, damit sie nicht mehr schwer im Magen liegt.
Wie lange Vergebung dauert? Einen bewussten Moment lang. Ein Mensch in der unendlichen Kette braucht die Weitsicht und das Verständnis, um den Gegner ein für allemal zu besiegen. Mit Herzenswärme und Güte.
Vergebung ist die Hingabe an die Menschlichkeit und ihre Fehler und das vollkommene Aufgehen im göttlichen Plan.
In ihrem Buch über Hoffnung trotz Holocaust schreibt Dr. Edith Eva Eger von Gott. Nicht Seine Abwesenheit hat sie in das KZ gebracht, sondern Seine Anwesenheit hat sie überleben lassen. Viele Überlebende von unglaublichen Grausamkeiten schildern jenen Moment, in dem sie sich bedingungslos an das Leben oder Gott übergeben haben als den Moment, in dem sie die Kraft geschöpft haben weiter zu machen.
Die Gabe des Vergebens ist für diesen Prozess wie ein Katalysator. Man muss erst Gott, dem Universum, dem Leben, Buddha, Allah… vergeben, um sich wieder vertrauensvoll in Seine Hände zu begeben. Ohne Groll öffnen sich die Türen zu Verständnis und Demut. Manches kann man nur annehmen.
Ob das Opferhaltung bedeutet? Ganz klar nein. Ein Opfer hadert mit seinem Schicksal und lässt sich gefallen, was geschieht. Ein Vergebender nimmt das Schicksal an und hofft, dass es sich bessert.
Vergeben heißt ebenso sich selbst anzunehmen, sein Leben, wie das des anderen.
Irgendwann kommt auch der Zeitpunkt, wo man jenen vergeben kann, die einem Schmerz und Unrecht angetan haben. Man vergibt ihnen die Sünden und entscheidet, wie man dabei vorgeht.
Vergebung braucht kein Gegenüber – man kann sich entspannt zurücklehnen und warten, bis der andere einen aufsucht. Mit Vergebung kommt man mit sich selbst ins Reine und nimmt dem anderen all seine Wichtigkeit, beraubt ihn der Macht, die er über einen hat(te).
Vergebung braucht kein Gegenüber, keine Aussprache. Vergebung braucht die Akzeptanz des anderen – mit seinen Fehlern. Sie braucht offene Augen, die sehen, was jetzt ist und nicht das, was einmal war. Vergebung macht reinen Tisch, reine Luft und freie Sicht.
Vergebung braucht kein Gegenüber – aber wenn man ihm begegnet, braucht es Zeit und Arbeit. Hingabe, um den Rahmen abzustecken, und zu klären, wie man nun gemeinsam weitermacht. Die alte Sache ist vorbei und man arbeitet gemeinsam daran neue zu meistern.
Niemand, der nicht wirklich zu vergeben bereit ist, kann seinen Weg in eine Zukunft finden die von den Sünden der Väter befreit ist.
Ich sage es noch einmal: das Leben wiederholt sich so lange, bis jemand aus der Endlosschleife aussteigt, indem er die Lernaufgabe bewältigt. Wir finden so lange immer wieder einen Partner, der betrügt, bis wir lernen, andere Massstäbe zu setzen. Wir finden so lange immer wieder ‘naja-Jobs,’ bis wir ehrlich beantworten können, was den ein ‘juhu-Job’ wäre. Wir finden so lange keine anderen, bis wir die Mauern um uns nicht abbauen.
Dazu ist es wichtig zu vergeben – und vor allem auch sich selbst zu vergeben. Fehler, Peinlichkeiten, Unangenehmes, Unsagbares. Nichts ist so schlimm, dass es einem nicht vergeben werden könnte. Wenn Dr. Eger einem KZ-Arzt vergeben kann, dann kann man Ihnen auch vergeben. Die Rolle des Opfers ist manchmal auch sehr selbstgefällig. Bequem. Vergebung ist die Antriebsdüse für den ersten, zweiten, dritten nächsten Schritt.
Vergebung trägt zur Verbesserung der Menschheit und der Erde ebenso bei wie zur Steigerung der Lebensqualität des Einzelnen.
Vergebung befreit Magen und Schultergürtel von Spannung und Krämpfen. Das alleine ist schon eine Erleichterung. Wenn Menschen sich vergeben, ermöglichen sie dadurch auch eine optimierte Entwicklung: Fehler im Betriebssystem werden ausgemerzt, das Nachfolgemodell funktioniert besser und hat dadurch einen Startvorteil. Vergeben bringt Frieden, keine Rechtfertigung. Vergeben bringt Chancen und neue Möglichkeiten. Vergebung bringt das Göttliche in den Alltag und erinnert daran, dass es niemanden gibt, der nur schlecht ist. Menschen treffen manchmal schlechte Entscheidungen, aber eine Umkehr ist immer möglich.
Vergeben Sie sich, dann werden sie diese Umkehr und alle damit verbunden Hürden meistern. Nicht als Opfer, nicht als Heiliger. Als Mensch. Würdevoll.